Besteigung des Trusmadi auf Borneo
Zum Abschluss unserer Borneoreise wollten wir noch einen ganz
besonderen Berg besteigen, den Trusmadi. Wir kamen gegen 13 Uhr in Kota
Kinabalu an und hier wartete schon der weitere Transfer auf uns, der
uns zum Ausgangsort für unsere Besteigung bringen sollte. Da die Fahrt
recht lang dauert und der Fahrer noch am gleichen Tag zurück nach KK
muss, wurde zum schnellen Aufbruch gedrängt. Die Verabschiedung von
unseren Reiseleitern Katarina und Harry und den restlichen Mitreisenden
fiel entsprechend kurz aus, nur noch schnell das überschüssige Gepäck
im Hotel verstaut und schon ging die Fahrt los.
Die ersten Minuten fühlten sich noch etwas seltsam an, waren wir doch
ab jetzt zum ersten Mal auf uns allein gestellt in Borneo unterwegs.
Die englischsprachige Begleiterin Sandra unterhielt uns vom
Beifahrersitz gleich von Anfang an. Ich hörte noch nie jemand so
schnell reden, was über die Länge von 4 Stunden auch irgendwie
anstrengend war. Sie begann damit uns ein wenig für verrückt zu
erklären so einen schweren Berg besteigen zu wollen und dass sie sich
noch nicht dazu durchringen konnte es selbst zu versuchen. Wir bekamen
erzählt, wo und wie man in der Gegend am besten tauchen geht, wie man
Schwalbennester zubereitet und wie sie die Haut jünger machen, wie sie
auf einem letzten Urlaub in der Türkei bestohlen wurde und noch vieles
mehr.
Als wir in Keningau nach Süden abbogen, habe ich mal ganz verstohlen
gefragt, ob wir uns verfahren haben, da Tambunan doch nördlich liegt,
aber sie meinte „nein, das passt schon, wir fahren ja nach Sinua, was
östlich vom Trusmadi liegt und da müsse man hier rum fahren“. Ich hatte
mich ja schon im Vorfeld über die möglichen Anstiegswege schlau
gemacht, von daher wusste ich, dass der als schwer geltende Normalweg
von Westen zum Gipfel führt. Der ähnlich schwere Weg von Osten eine 4-Tagestour ist und der Weg von Süden so brutal ist, dass den eh keiner
gehen will. - OK, wir sind also jetzt auf der Ost Route unterwegs und
was in der Literatur mit 4 Tagen angegeben ist, machen wir in zwei…
super Sache. Aus den Beschreibungen wusste ich noch, dass es da zwei
kleine Grasflächen gibt, auf denen man sein Zelt aufstellen kann und
das war es dann auch schon an Infrastruktur, aber Sandra meinte, dass
da in den letzten Jahren viel passiert ist und da nun zwei Camps
errichtet wurden. Auf den ersten Schock stellte sich ein wenig
Gleichgültigkeit ein, was sollten wir jetzt auch noch großartig machen.
Die Straße war in erstaunlich gutem Zustand dafür, dass sie kaum
befahren war, was dadurch zu erklären ist, dass sie erst frisch
asphaltiert wurde und momentan noch irgendwo im Nichts endet, da die
geplante Anbindung nach Norden noch nicht fertig ist. Die letzten 1,5km
waren dann doch noch eine unbefestigte Schotterpiste, aber nichts was
einen Vierradantrieb erforderlich gemacht hätte, ein erheblicher
Unterschied zur regulären Westroute, wo dies unerlässlich ist. So
wurden wir direkt im Camp 1 abgesetzt. Der ganze Parkplatz war voller
Autos. Eine große Gruppe war vor uns eingefallen, aber uns schon einen
Tag voraus und zum Camp 2 aufgestiegen, sodass wir doch allein hier
unten waren.
Hier trafen wir Dennis, der für die nächsten zwei Tage unser Guide,
Koch und „Mädchen für alles“ sein sollte. Gleichzeitig ist er der Chef
und Erbauer der Camps und des Weges. Er lebt mit seiner Frau und
Kindern im Camp und organisiert alles. Er erzählte uns seine bewegende
Lebensgeschichte, wie er mal gefragt wurde ob er bei einer der
Expeditionen, die schon immer den spektakulären Regenwald Borneos
untersuchten, als Helfer dabei sein möchte, wie er von den Forschern
langsam Englisch lernte, wie er früher beim Anblick einer Schlange
schreiend wegrannte und später zum Schlangenjäger wurde, um sie den
Wissenschaftlern zur Bestimmung zu bringen. 2011 trat das
Forstministerium an ihn heran, ob er nicht an der Ostseite des Trusmadi
einen Weg bauen möchte um auch hier zur Erschließung und zum Tourismus
beizutragen. Die Einwohner des Dorfes hielten ihn lange Zeit für einen
Phantasten, da sie sich nicht vorstellen konnten, dass sich Touristen
hier an diesen abgelegenen Ort verirren könnten, aber die jährlich
steigenden Zahlen an Besteigungen zeigen, dass sich etwas Beständiges
entwickelt hat. Die meisten Gäste sind Malaien und nach seiner Zählung
sind wir immerhin schon die vierten Deutschen, die sich hier auf der
Route versuchen.
Damit ist er inzwischen auch so was wie ein Arbeitgeber, denn jeder
Führer darf auf dieser Route nur maximal 3 Gäste mitnehmen und so
wurden etliche Jugendliche aus dem Dorf zu Guides ausgebildet und auch
die Behausungen bauen sich nicht von allein.
Er hat uns dann noch sein ganzes Camp gezeigt. Mit dem neu angelegten Fischteichen will er Hobbyangler anlocken, ansonsten hat er auch frischen Fisch für seine Gäste.
Die Lager bekommen noch ein Blechdach und ansonsten sind die Bauarbeiten für die neuen Zimmer in vollem Gange. Weil sonst nichts los ist, bekommen wir das bisher einzige fertig gestellte Zimmer.
Lange ist es nicht mehr hell, aber er fragte uns, ob er uns noch sein Dorf zeigen kann, was wir natürlich sofort bejahten. Wir stiegen also in sein Auto, denn es sind etwa 2km und viel Zeit war nicht mehr.
Es war ein Jeep ähnliches Gefährt das wohl schon viel von der Welt gesehen hat. Er entschuldigte sich, dass auf meiner Seite der Fensterheber nicht mehr geht, aber es wäre einfacher gewesen zu erwähnen, was noch funktioniert.
Die Frontscheibe zeigte Risse in alle Richtungen und direkt über mir war ein etwa 2 Euro großes Loch, durch das ich den Himmel sehen konnte. Ob da ein Stück Scheibe, Dichtung oder Metall fehlt, ich konnte es einfach nicht erkennen. Er drehte den Zündschlüssel, aber außer einem sanften Wubb war nichts zu vernehmen. Ach ja, die Batterie ist ja kaputt. Gekonnt stößt er mit dem Fuß den Stein weg, der den Wagen am Wegrollen hindert, das Auto setzt sich in Bewegung, er springt rein und schon läuft der Motor. Kurze Zeit später höre ich ihn etwas wegen „Oil“ murmeln. Mein Blick auf die Instrumententafel verrät mir, dass wir nur noch mit heißer Luft unterwegs sind, falls die Tankanzeige noch funktionieren sollte.
Am ersten Haus der Siedlung hält er an. Er verschwindet in einer kleinen Blechhütte, wo er von einem kleinen Mädchen Benzin in einem Kanister bekommt. Es ist wohl die Dorftankstelle, denn das Mädchen schreibt mit, wie viele Kanister er in den Tank schüttet. Tatsächlich, die Tanknadel bewegt sich. Da der Motor immer noch läuft, können wir gleich weiterfahren und er bringt uns zur neu gebauten Kirche, die sich auf einer Anhöhe befindet.
Kurz vor dem Ziel versperrt uns ein nicht ganz
geöffnetes Gatter den Weg. Er fragt mich, ob es mir was ausmacht das
Gatter zu öffnen, er kann nicht von der Bremse gehen, da die Handbremse
nicht geht und wir ansonsten den Hügel wieder hinunterrollen. Natürlich
ist es kein Problem und nur Sekunden später stehen wir auf dem
Kirchenplatz. Er macht eine Wende und das Auto steht bereit, um für das
nächste Anlassen den Berg hinunter zu rollen.
Die Wolken sind hoch, so können wir den Gipfel des Trusmadi sehen, auch
wenn es uns schwer fällt unter den vielen Kuppen den Hauptgipfel
auszumachen. Auf die Kirche ist Dennis besonders stolz und er wird
nicht müde zu erwähnen, dass sie im Dorf Katholiken sind, bis auf zwei
muslimische Familien. Es hat so den leichten Unterton wie, „die
bekehren wir auch noch“.
Von hier können wir nahezu das ganze Dorf überblicken. Wir erfahren, dass die Strommasten, die vor zwei Jahren aufgestellt wurden, im Moment immer noch Deko sind. Sie sind nicht angeschlossen. Jedes Licht, das in der beginnenden Dämmerung aufleuchtet, ist entweder über Solarzelle mit Akku oder Generator gespeist, da das öffentliche Stromnetz die Gegend noch nicht erreicht hat. Sie hoffen, dass die Zukunft bis Ende des Jahres Einzug halten wird.
Schräg gegenüber sehen wir den Wald brennen. Dennis meint lapidar, da könne man nichts machen, die dürfen das. Nur die Seite des Tales auf der wir stehen gehört zum Schutzwald, auf der anderen Seite ist es reine Privatsache. Wahrscheinlich sei das Feuer außer Kontrolle geraten, als sie wie üblich die angrenzenden alten Reisfelder niederbrennen wollten, um sie mit der Asche neu zu düngen. Dramatisiert wird die Lage, dass es seit einem Monat in der Gegend nicht mehr geregnet hat. Kaum vorstellbar in den Tropen, aber sie warten auf Regen.
In unserem Rücken bauen sich bedrohliche Wolken auf
und auch Blitze sind zu sehen, die Chancen stehen gut, dass der
natürliche Feuerlöscher heute noch vorbeisehen wird.
Da es langsam dunkel wird, steigen wir wieder ins Auto ein und rollen
los. Wir werden immer schneller und langsam kommt eine bedrohlich
scharfe Linkskurve auf uns zu. Vom Motor ist nichts zu hören, die
Bremsen funktionieren entsprechend ebenso nicht und ich sehe uns mit
mehreren Überschlägen den Berg hinunterrollen. Mit einer gekonnten
Lenkbewegung manövriert Dennis den Wagen seitlich an die Böschung. Wir
schrammen mit der Seite an ihr entlang, bis das Auto zum Stehen kommt.
Ich dachte, so nun steigen wir aus und bewundern die gebrochene Achse
oder das abgerissene Rad, aber Dennis schaut nur ein wenig auf seine
Anzeigen und meint dann „oh, Tschuldigung, ich habe vergessen den
Schlüssel zu drehen“. Gut, zweiter Versuch, wir rollen wieder los,
Dennis dreht diesmal den Schlüssel, der Motor läuft und weiter geht der
wilde Ritt.
Bei der Fahrt durchs Dorf kommen wir an einer kleinen Feier vorbei.
Dennis hatte uns schon vorgewarnt, dass wir häufiger die Worte „orang
putih“, was übersetzt „weißer Mensch“ bedeutet hören werden und dass es
nichts Abfälliges ist. Da wir auch die Tage zuvor immer mal wieder von
wildfremden Menschen angehalten und gefragt wurden, ob sie mit uns
Fotos machen dürfen, war uns das schon bekannt. Wir waren nur ganz kurz
auf der Geburtstagsfeier, denn das Abendessen wartete ja im Camp auf
uns und da der Motor immer noch lief konnten wir gleich weiterfahren.
Das Abendessen war gut und reichlich, genauer gesagt von allem zu viel,
so dass wir hofften, die Reste wurden von der Familie vertilgt.
Inzwischen wurde aus dem Wetterleuchten ein echtes Gewitter. Eigentlich
hätten wir noch einmal auf der Geburtstagsfeier vorbeischauen sollen,
wir sprangen aber nur noch durch den Regen zu unserem Zimmer. Wir
hatten für einen Tag ausreichend erlebt und waren müde.
Nach einem ebenso ausgiebigen Frühstück machten wir uns gegen 8 Uhr auf
den Weg zum Camp2. Packen müssen wir nicht viel, wir haben nur die
Dinge dabei, die wir für die Besteigung brauchen. Vor uns liegen etwas
mehr als 1300 Höhenmeter, verteilt auf 11 km Strecke. Die ersten Meter
verlaufen auf einer unbefestigten Straße, die von Reisfeldern umrahmt
ist. Wir sehen, wie in Handarbeit die Reispflanzen vereinzelt und in
die mit Wasser gefluteten Becken gesetzt werden.
Mit einer großen und modernen Brücke endet der Fahrweg und wir sind auf einfach zu begehenden Pfaden unterwegs. Hier beginnt der Regenwald. Die Bäume sind hoch, der Boden dunkel, so dass uns der spannendste Teil vom Wald verborgen bleibt. Einzelne umgestürzte Baumriesen geben einen Einblick in die Welt da oben und ich entdecke eine Orchidee, die mir sonst noch nie so begegnet ist.
Die Geräuschkulisse im Regenwald ist beeindruckend. Wir haben Glück Dennis dabei zu haben, denn er ist einer der besten Vogelkenner des Landes. Beim Bird Race ist er Jury-Mitglied und hat die Aufgabe zu kontrollieren, ob die Vögel von den Teilnehmern richtig bestimmt wurden. Er kennt einfach alle und kann die Vogelstimmen so präzise nachahmen, dass sie ihm sogar antworten. Ich wusste oft nicht wer hier singt, Dennis oder ein Vogel.
Nach einer kurzen Bachdurchquerung heißt es die Hose in die Socken stecken, wir betreten Blutegelland. Durch den Regenschauer der letzten Nacht geweckt, kriechen sie aus allen Verstecken und stürzen sich ausgehungert auf alles was sich bewegt. Es reicht für 20 Sekunden stehen zu bleiben, danach darf man die Hosen absuchen, denn die Blutegel sind schon auf den Schuhen gelandet und auf dem Weg die Beine hoch zu krabbeln. Der besonders aggressive Tiger Leech ist mit seinen farbigen Streifen zumindest optisch recht hübsch anzusehen. Wir wurden auf den nächsten Kilometern auf jeden Fall richtige Meister in der Technik die Blutegel von unseren Hosen, Socken oder manchmal auch Haut zu schnippen.
So langsam kommen uns die ersten Bergsteiger entgegen, die in der Nacht
zum Gipfel aufgebrochen sind und sich nun auf dem Abstieg ins Tal
befinden. Es handelt sich ausschließlich um malaysische Jugendliche und
Studenten, die sich über Facebook verabredet haben und für ein
Wochenende das große Abenteuer suchen. Dennis unterhält sich immer
wieder mit den absteigenden Guides um mehr über die Verhältnisse am
Berg und im Camp zu erfahren. Es zeigt sich, dass es dort in der Nacht
kaum geregnet hat und die Wassersituation immer noch angespannt ist.
Dennis hatte das schon geahnt und auch schon über Funk bestätigt
bekommen, daher hatte er etwas extra Wasser zum Kochen mit im Gepäck.
Auf etwa 1600m ändert sich die Vegetation schlagartig. Hier ziehen
täglich die Wolken durch und bringen so Feuchtigkeit mit, auch wenn es
nicht für Regen reichen sollte. Die Bäume sind über den nahezu
kompletten Stamm mit Moos bedeckt und entsprechend steigt die Zahl der
Orchideen und Kannenpflanzen auf Augenhöhe sprunghaft an. Es dauert
nicht mehr lange und wir erreichen das Camp2 um kurz vor 15 Uhr.
Wir finden ein kleineres Küchenzelt mit Tischen und Bänken und zwei große Lagerzelte vor. Eins der großen Lager hat noch ein Zeltdach, das demnächst durch ein Wellblechdach ersetzt werden soll. Zwei Arbeiter sind hier, die Holz schleppen und für die Bauarbeiten zuständig sind. Während Dennis das Abendessen vorbereitet, haben wir 90 Minuten Zeit um die Gegend zu erkunden und steigen etwas den weiteren Weg nach oben. Die Landschaft ist atemberaubend, der Verschluss der Kamera muss Höchstleistungen vollbringen. Wir kommen in der Zeit gerade mal 120m voran. Jeder Baum, jede Biegung, jede Stufe, jeder Ast hat Pflanzen oder Tiere zu bieten, die wir vorher noch nirgends entdeckt haben.
Die
Zeit vergeht viel zu schnell und wir begeben uns zum reichlich
gedeckten Tisch. Bei der Gelegenheit frage ich Dennis, was denn Mannan,
der Name des Trecks auf dem wir uns befinden, zu bedeuten hat. Die
Antwort ist einfacher als gedacht, der Weg wurde nach dem Direktor des
Sabah Forestry Department benannt. Sicher keine schlechte Wahl, wenn
man mal ein Gespräch oder eine offene Tür sucht.
Wir besprechen noch kurz wie es morgen weitergeht. Wecken ist um 1 Uhr,
dann geht es direkt zum Frühstück und um 1:30 wollen wir zum Gipfel
aufbrechen. Eine kurze Nacht steht uns also bevor und so verschwinden
wir um 19 Uhr in unser Lager. Dennis meinte, er hofft auf „heavy rain“
in der Nacht, nicht nur um die Wasserspeicher am Camp wieder füllen,
denn dann ist am nächsten Morgen auch die Sicht besonders gut.
Nun sollte sich zeigen, dass wir für diese Route nicht die passende
Ausrüstung dabeihatten. Wir hatten für Matratzen mit Decke in einer
Hütte gepackt, hier lagen wir auf einer festen Plane, gespannt zwischen
zwei Holzträgern. Nicht wirklich unbequem, aber wärmend ist das nicht.
Obwohl die Temperatur in der Nacht nur auf 15,4 Grad fiel, so fühlte es
sich richtig kalt an. Hat man sich mal an die tropischen Temperaturen
gewöhnt, ist alles unter 20°C winterlich. Wir haben alles angezogen was
wir dabei hatten, verzogen uns in den Seidenschlafsack und der
Regenponcho musst als Zudecke herhalten und so zitterten wir uns in den
Schlaf. Es sollte nicht lange dauern. Um 20 Uhr begann es zu regnen.
Dicke Tropfen fielen auf das Wellblechdach. Der Klang kam mir seltsam
bekannt vor, als würde man auf der Autobahn durch einen Hagelschauer
fahren. Nach 10 Minuten sollte Dennis seinen „heavy rain“ bekommen. Die
einzelnen Einschläge verschmolzen zu einem Prasseln, als würde man
unter einem Wasserfall liegen. Bei der Lautstärke ist eine
Verständigung unmöglich, umso verwunderter war ich, als ich Dennis
aufgeregt umher rennen und ständig in sein Funkgerät brüllen sah. Durch
die Schlitze in den Zeltwänden erkennt man den umgebenden Wald, wie er
im Sekundentakt von den Blitzen des Gewitters erleuchtet wird. Ein
Donner ist nicht zu vernehmen, dafür ist der Regen einfach zu laut. Die
Natur hat immer noch eine Überraschung parat. Aus „heavy rain“ wurde
„ultra-heavy rain“, das Gewitter kam noch näher. Jetzt war auch der
Donner zu vernehmen und man konnte die Entfernung der Blitzeinschläge
abschätzen. 600m, 400m, 300m, 100m…. war ich eigentlich der einzige,
der sich Gedanken darüber macht unter einem nicht geerdeten Metalldach
zu liegen? Ich wusste, dass in den Tropen deutlich weniger Blitze bis
zum Boden reichen und dort einschlagen als bei uns in Europa, aber das
gilt nicht, wenn man sich auf einem Berg befindet. Von daher war ich
recht glücklich, als ich merkte wie sich das Gewitter langsam von uns
entfernte und eine Stunde später war dann auch der Regen Geschichte.
Die Nacht war so natürlich noch mal um einiges kürzer.
Wegen der Kälte war es nicht sonderlich schwer aufzustehen, als um kurz
vor 1 der Wecker klingelte, endlich sich bewegen und so wieder
aufwärmen. Aber was sollen wir mit Dennis machen? Er schlummert noch
immer glückselig auf seiner Pritsche. Um 1:15 fühlen wir uns zum
Handeln gezwungen und zupfen erst leicht, dann intensiver an seinem
Schlafsack. Er schreckt auf, schaut uns an als ob er gerade einen Geist
gesehen hätte und wir versuchen ihm zu erklären, dass er verschlafen
hat. Er springt auf und geht sofort ins Küchenzelt um das Frühstück
zuzubereiten. Es gibt total leckere French Toast. Wir erfahren nun
auch, was ihn die letzte Nacht so lange wachgehalten hat. Von der
großen Gruppe, die am Vortag abgestiegen ist, ist ein Teilnehmer
verloren gegangen und nicht am Camp angekommen. Es wurde eine große
Suchaktion ausgelöst und er hat über Funk die Suchmannschaft dirigiert.
Gegen 22 Uhr wurde er total durchnässt und reumütig etwa 500m abseits
des Weges entdeckt und zum Camp gebracht. Warum er sich entfernt hat
und nicht mehr zurückfand, konnte er nicht beantworten. Wir versuchen
nicht noch mehr Zeit zu verlieren, ziehen schnell unsere Stirnlampen
auf und beginnen um 2:10 den Aufstieg zum Gipfel.
Obwohl wir die ersten Meter vom Vortag schon kennen, sieht im Schein
der Lampe noch mal alles anders und mystischer aus. Der Blick
konzentriert sich auf den hellen Fleck, der die Umgebung vor einem
erstrahlen lässt. Ein im botanischen Garten angelegter
Abenteuerspielplatz könnte nicht reizvoller sein. Auch wenn wir am
liebsten alles genau inspizieren würden, so müssen wir Höhenmeter
machen und vertrösten uns auf den Abstieg bei Tageslicht. Der Weg zieht
sich einen Bergrücken entlang nach oben. An manchen steilen und
schlammigen Stellen hängt ein Seil, das einem den Aufstieg erleichtert.
Nach etwa 2,5 Stunden erreichen wir den sogenannten first peak. Hier erkennt man, dass unser Weg eigentlich eine Überschreitung ist. Wir steigen relativ steil in eine Scharte ab. Gut, dass der Schein unserer Lampen nur eine begrenzte Reichweite hat, so sieht man nicht wie weit es hinabgeht. Ab hier besteht der Weg hauptsächlich aus Wurzeln über die man hinweg klettern muss. Es rächt sich der Regen der letzten Nacht, denn jetzt ist das Holz rutschig als wäre es mit Seife eingerieben. Diese Art des Kletterns ist eine komplett neue Erfahrung.
Es geht hoch zum second peak und die Dämmerung am Horizont lässt uns
erkennen, dass wir es nicht mehr rechtzeitig vor dem Sonnenaufgang zum
Gipfel schaffen werden, auch wenn es nicht mehr weit ist. Somit
beschließen wir hier zu bleiben und das Schauspiel zu genießen.
Vom second peak geht es nur mehr unwesentlich hinab und wieder hinauf
und um 6:45 stehen wir auf dem Hauptgipfel des Trusmadi.
500m weiter erkennen wir den Aussichtsturm, der für die Westroute den Gipfel markiert und scheint auf gleicher Höhe zu sein. Dennis klärt uns auf, dass wir hier auf dem eigentlichen Gipfel stehen da er höher ist. Sie scheinen sich der Sache auch sehr sicher zu sein, denn die Höhenangabe auf dem Schild ist auf den mm genau und somit stehen wir auf 2642,281m. Auf der anderen Seite sind keine Menschen zu erkennen. Wir sind heute die einzigen, die an dem Berg unterwegs sind.
Im Norden dominiert der Kinabalu die Szenerie. Dieses Massiv, auf dem wir noch 2 Wochen zuvor standen, überragt alles um fast 1,5km.
Nach Süden setzt sich das
bergige Hügelland fort, im Tal hängt oft noch der morgendliche Nebel.
Kurz nach 7 verlassen wir den Gipfel, wir wollen ja noch die ganzen
Orchideen und Kannenpflanzen, an denen wir im Aufstieg vorbeiliefen,
begutachten und fotografieren.
Bei Tageslicht wirkt der Weg noch mal anders, er bleibt spektakulär. Die großen Kannen der Nepentes sind kaum zu übersehen, hängen sie einem doch direkt auf Augenhöhe.
Passt man nicht auf und stößt mit dem Kopf daran, setzt es eine unfreiwillige Dusche, denn die Kannen sind vom Regen in der Nacht gut gefüllt. Zu den vielen Orchideen müsste ich eine eigene Galerie einrichten. Mir ist sogar der Strom für den Blitz ausgegangen, ich war nicht davon ausgegangen einen ganzen Satz Akkus durchblitzen zu können.
Von der
Jahreszeit scheinen wir einen glücklichen Zeitpunkt erwischt zu haben,
vieles war gerade voll in Blüte. Die extreme Trockenheit, die hier die
letzten Wochen und Monate herrschte, wirkt sich in der Höhe nicht so
stark aus. Auch wenn es nicht für Regen reicht, so sind die Berghänge
jeden Tag mindestens für 8 Stunden in Wolken gehüllt, die von der
Vegetation regelrecht gemolken werden und sich so mit Wasser versorgen.
Wir brauchen geschlagene 5 Stunden für den Abstieg zum Camp 2. Ein Teil
ist sicherlich den vielen Fotos geschuldet, echte Pausen machen wir nur
eine.
Brauche ich für den Abstieg nicht deutlich weniger Zeit als für den Aufstieg, so ist das ein Zeichen für das wirklich anspruchsvolle Gelände in dem man sich bewegt. Es geht deutlich über Bergwandern hinaus und ist stellenweise Klettern an Wurzeln. Um 12 Uhr erreichen wir das Camp und Dennis beginnt auch sofort das Mittagessen zuzubereiten.
Unseren Schuhen und Hosenbeinen sieht man deutlich an,
dass wir das ein oder andere Mal etwas tiefer im Schlamm gestanden
haben. Während des Essens erzählt uns Dennis dann noch wie der Berg zu
seinem Namen gekommen ist. In ihrem Tal gab es einen Jäger namens Madi
und auf seiner Pirsch hat er auch diesen Berg erklommen. Von oben
erkannte er auf der anderen Seite das Dorf Tambunan. Mit dem Dorf gab
es schon lange Handelsbeziehungen, die Reise brauchte aber 2 Wochen.
Indem er die Abkürzung über den Berg entdeckt hat, reduzierte sich der
Weg auf 4 Tage und ihm zu Ehren heißt der Berg nun Trusmadi, was
übersetzt so viel bedeutet wie Madis Jagdrevier.
Gut gestärkt, Dennis hat wieder viel zu viel gekocht, machen wir uns an
den Abstieg. An diesem Tag werden wir bis zum Abend etwa 2300
Abstiegshöhenmeter in den Beinen haben, somit beschließen wir einen
alten Trick anzuwenden und einfach keine weiteren Pausen zu machen.
Nach einer Pause schmerzen die Knie gleich doppelt so stark. Dennis
hatte über Funk unsere geschätzte Ankunftszeit im Camp 1 nach unten
gemeldet, dass unser Transfer passend losfahren kann um uns abzuholen.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass wir den Abstieg in knapp 3 Stunden
hinter uns bringen, so hatten wir reichlich Zeit für ein genüssliches
Abendessen. Die letzten zwei Kilometer zogen sich wie Kaugummi, mussten
wir ja noch ein paar Gegenanstiege bewältigen.
Da Sandra verhindert war, holte uns Vivien mit ihrem Fahrer ab. Sie
wollte haarklein erzählt bekommen wie es war und wie es uns gefallen
hat, erkannte dann aber doch recht schnell, dass wir einen langen Tag
hinter uns hatten und uns die Augen auf der vierstündigen Fahrt nach
Kota Kinabalu irgendwann zufielen. Am Hotel brauchten wir nur noch
unser zurückgelassenes Gepäck in Empfang nehmen und konnten glücklich
ins warme und weiche Bett fallen.
Fazit: Würden wir die Tour noch mal machen? Keine Frage, lieber heute
als morgen, ach morgen auch gleich noch mal und wenn ich übermorgen
noch nichts vor hätte… Es stellt sich die Frage, welche Route die
bessere ist. Verglichen mit unserem Mannan Trail ist der eigentlich von
uns geplante Kaingaran Trail (Westroute, manchmal auch Nordroute
genannt) schon fast touristisch. Er ist weniger als halb so lang, hat
nur die Hälfte an Höhenmetern, ist im unteren Teil ein Plankenweg, aber
der Ausgangspunkt nur mit Vierradantrieb zu erreichen. Wir haben den
Berg by fair means bestiegen. Wir starteten ganz unten im Tal, haben
alle Vegetationsstufen hautnah erfahren und die Überschreitung der
Gipfelkette ist sicher auch noch ein ganz besonderer Reiz, gekoppelt
mit der Einsamkeit, die man hier auf dieser Seite des Berges noch
erleben darf.
Wie kann man die Tour buchen? Fast alle Agenturen in Kota Kinabalu
bieten es an (gigantische Preisunterschiede möglich), oder man wendet
sich direkt an Dennis Ikon, denn er macht eh alles von den Permits über
die Guides bis hin zu den Unterkünften. Den Transfer kann er auch
organisieren, oder man nimmt sich gleich ein Mietauto, man braucht nach
Sinua ja nur einen normalen Kleinwagen und kein 4WD.
Dennis Ikon
+60-13-5425415 (SMS oder Whatsapp)
Post: dennisikon(at)gmail(punkt)com
Man bedenke bei der Kommunikation aber, dass er auf absehbare Zeit
keinen herkömmlichen Stromanschluss hat und das Handy nur an zwei
Stellen am Berg funktioniert, es kann also dauern bis Antwort kommt.
Neu bietet er auch allgemeines Jungle Trecking, Nachtwanderungen oder
Vogelbeobachtung an, man muss mit ihm also nicht gleich den Trusmadi
besteigen.