So funktioniert der Verschluss einer Spiegelreflexkamera


Frei nach dem Motto „ich benutze nur was ich vollständig verstanden habe“  musste ich mal einen Verschluss zerlegen und analysieren. Ich entschuldige mich gleich mal für die Qualität der Bilder, aber ich habe sie in Richtung maximale Sichtbarkeit von Details getrimmt und nicht auf Ästhetik.

Vergleich

Hier also zur Einstimmung ein Vergleich von Canon 5D und 20D. Man sieht gleich, dass der Verschluss deutlich größer ist, als die paar Lamellen die man im Spiegelkasten so zu Gesicht bekommt. Oberhalb und unterhalb ist noch Platz notwendig, um die eingezogenen Lamellen verstauen zu können. Dadurch wird der Größenunterschied zwischen Crop 1,6 und Kleinbild noch mal deutlicher.

Aufbau

Der Verschluss besteht aus zwei Vorhängen. Der erste Vorhang ist normalerweise geschlossen und der zweite geöffnet. Findet nun eine Belichtung statt, so öffnet sich der erste Vorhang und gibt den Sensor frei. Ist die Belichtung beendet läuft der zweite Vorhang los und deckt den Sensor wieder ab. Dies funktioniert so bis zur Blitzsynchronzeit (typischerweise 1/200 bis 1/320). Bei kürzeren Belichtungszeiten läuft der zweite Vorhang bereits los, noch bevor der erste den Sensor völlig frei gegeben hat. Es läuft also ein offener Schlitz über den Sensor und je kürzer die Belichtungszeit, umso schmaler wird dieser Schlitz.

Der Antrieb für den Vorhang ist eine Drehbewegung um 90°, angetrieben von einer sehr starken Feder. Über zwei vernietet Arme wird die Drehbewegung in eine gleichförmige auf/ab Bewegung der Lamellen verwandelt und lässt sie einklappen. Eine Trennscheibe sorgt dafür, dass sich die beiden Vorhänge nicht zu nahe kommen und fest stehende seitliche Lamellen am Ende garantieren, dass der Vorhang reibungsarm gleiten kann.

Nun ein wenig ganz einfache Mathematik. Bei der 5D ist die Blitzsynchronzeit 1/200s (5ms), also die Zeit bei der der Sensor zur Belichtung noch kurzzeitig völlig frei liegt. Für die Blitzdauer muss noch etwa 1ms einkalkuliert werden, also dauert es 4ms bis ein Vorhang die Strecke von 24mm durchlaufen hat. Dies entspricht einer Geschwindigkeit von 6 m/s oder 21,6 km/h!!! Die Beschleunigung erfolgt in nur wenigen μs. Aus dem Grund müssen die Lamellen extrem leicht und stabil sein, um den Kräften bestehen zu können.

Eine weiter kleine Rechnung: Eine Belichtungszeit von 1/8000 entspricht 0,125ms. Dies multipliziert mit der Ablaufgeschwindigkeit (6m/s) ergibt eine Spaltbreite von nur 0,75mm. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass ein wenig Schmutz auf einer der führenden Lamellen ausreicht und es kommt zu Streifen im Bild, da sich an der Stelle der Schlitz verengt. Je länger die Belichtungszeit, umso geringer sind die Auswirkungen der Verschmutzung. Obwohl die Bewegung vom Verschlussvorhang absolut vertikal abläuft, so dann der Schmutzpartikel nicht verheimlichen, dass der Ablauf aus einer Drehbewegung generiert wird.

Dreck auf Verschluss

Nun zum eigentlichen Antrieb. Bei der 20D ist er einfach und überschaubar konstruiert, daher beginne ich damit.

Verschluss 20D

Das zentrale Element ist der Verschlussspanner. Es ist eine Drehscheibe aus Hartplastik mit einer kleinen Nase. In diese Nase greift ein am Spiegelkasten montierter Hebelarm und bewegt die Drehscheibe. Wird der Verschlussspanner im Bild von rechts nach links bewegt, so werden die beiden Hebelarme (Gegenpole) gegen die Haltemagnete gezogen und die Federn gespannt. Die Federn sind so stark, dass sich die Nase gerade noch per Hand bewegen lässt. Ist der Spanner ganz auf der linken Seite angekommen, wird die Feder blockiert und der Verschluss in der aufgezogenen Position geparkt. Soll ein Bild gemacht werden, wird während der Spiegel zur Seite klappt der Federmechanismus wieder frei gegeben. Noch bevor die Vorhänge jetzt los sausen, werden die Spulen der Haltemagnete bestromt. Die Vorhänge werden nun aktiv in der gespannten Stellung gehalten, bis die Elektronik den Strom abstellt und damit den Vorhang zum Ablauf frei gibt. Da die Haltekräfte der Magnete bei der Produktion nicht absolut vorhergesagt werden können, wird der Abschaltzeitpunkt elektronisch von der Kamera korrigiert. Würde der zweite Vorhang auch nur 0,125ms zu früh los laufen, dann hätte man kein 1/8000 belichtet, sondern hätte ein komplett schwarzes Bild. Bei einem Verschlusswechsel muss diese Charakteristik der Kamera neu beigebracht werden.

Verschluss 20D seite

Ist der Hebelarm (Magnetgegenpol) durch gelaufen, so öffnet er am Ende eine Feder. Das ist für die Kamera das Signal, dass der Sensor nun voll geöffnet bzw. wieder geschlossen ist. Diese Signale werden unter anderem für die Blitzsynchronisation benötigt.

Verschluss 5D

Betrachten wir nun den Verschluss der 5D. Durch die hohen Federkräfte sind die Teile im Verschluss stark beansprucht. Bei der 5D sind nun alle relevanten Teile aus Metall gefertigt. Das sorgt für eine geringere Reibung und eine höhere Stabilität. Bei der 20D rauscht der Vorhang mit voller Wucht in den Anschlag. Bei der 5D wird er über eine schon fast geniale  Federdämpfung sachte abgebremst. Das verlängert nicht nur die Lebensdauer, sondern sorgt auch für geringere Vibrationen.

Verschluss 5D Seite

Die Feder, die bei der 20D den durchgelaufenen Vorhang signalisiert hat, wurde bei der 5D durch eine Lichtschranke ersetzt. Durch den staken Aufprall neigte die Feder zum Brechen. Die Spule beim Haltemagneten hat bei der 5D einen Widerstand von 50 Ohm und wird mit 3V versorgt. Wäre dies der einzige von der Kamera benötigte Strom, so könnte sie den Verschluss für etwa 20 Stunden offen halten. Dreht man die Versorgungsspannung langsam ab, so kann der Elektromagnet den Verschluss noch bis zu einer Spannung von 0,7V sicher halten. Hier wurde also reichlich Sicherheitsreserve eingeplant.

Der Verschluss hat sich von der 20D zur 30D nicht verändert. Erst bei der 40D wurden auch die Lichtschranken der 5D eingesetzt, an der Plastikbauweise hat sich aber nichts geändert. Auch wenn die Lebensdauer für alle Verschlüsse mit 100000 Auslösungen angegeben wird, so traue ich dem Verschluss der 5D die höhere Lebensdauer zu.